Mein größter Wunsch war es immer ein eigenens Pferd zu haben und als mein damaliger Freund mir von der Stute Wanda erzählte und davon, dass dieses Pferd so böse sei und deshlab zum Schlachter kommt, weil keiner mehr mit Ihr zurecht komt und sie wie geplant auch von der Besitzerin nicht als Therapiepferd im Schloß Zinneberg eingesetzt werden kann, wollte ich dieses besondere Pferd kennen lernen.
Meine Mutter wusste damals natürlich nichts davon und so begleite ich meinen Freund zum Schloß wo er Zivildienst machte und sich dort auch um den Stall und die Pferde kümmern musste. Tage lang setzte ich mich nach der Schule an den Rand der Koppel und redete Wanda zu. Ich erzählte ihr meine unglücklichen Pferde-Geschichten und beobachte sie einfach nur. Allein das erfüllte mein Herz mit so viel wärme und freude und ich hatte das Gefühl eine besondere Seele gefunden zu haben.
Alle Menschen, die mich in der Zeit beobachtet haben glaubten wohl ich sei nicht ganz richtig im Kopf. Aber mir war das egal, ich wollte dieses Pferd verstehen und warum es so "unberechenbar" und böse zu anderen Menschen war. Immer wenn ich bei ihr saß hatte ich das Gefühl dass uns etwas verbunden hat, ich kann bis heute nicht sagen was es war, aber es war besonders und eigentlich unerklärlich. Nach einer Woche und dem täglich selben Ritual setzte ich mich wieder an den Rand der Koppel, stelle Ihren Futtereimer ab und sagte zu ihr: "Hallo Wanda, da bin ich wieder, schau, ich habe dir dein Futter mitgebracht. Heute habe ich dir auch eine Karotte und einen Apfel rein geschnitten, die habe ich extra für Dich gekauft. " Dann passierte etwas eigenartiges, Wana hob den Kopf, spitze die Ohren und rante plötzlich im Trab auf mich zu. Ich konnte erkennen dass dies keine Drohgebärde war und blieb gespannt sitzen. Sie schnupperte vorsichtig mit etwas Abstand an mir, pustete mich mit ihren warmen Nüstern an und steckte ihren Kopf in den Futtereimer der neben mir stand. Als sie dann mit dem Fressen begann berührte ich sie vorsichtig am Kopf und strechelte sie sanft. Dabei sagte ich zu ihr: "Du bist nicht böse, ich weiß dass, und ich werde dir helfen, wenn Du es zulässt..."
Dieser Magische Moment hat mein Leben verändert und ich konnte nichts von der so bößartig "Bestie" sehen, wie sie von allen beschrieben wurde. Die nächsten paar Tage liefen ähnlich ab und ich durfte mich Wanda langsam auf der Koppen nähern. Sie lies den Kontakt zu und sich von mir streigeln und fasste langsam vertrauen so dass ich ihr auch behutsam das Halter anlegen durfte. Wir konnten gemeinsam ganz entspannt am durchängenden Strick über die Koppel gehen. Als ich das geschafft hatte bat ich die Besitzerin am nächsten Tag zur Koppel zu kommen. Sie traute ihren Augen nicht und Wanda würdigte sie keines Blickes und legte sofort die Ohren an wenn wir nur in Ihre nähe kamen. Sie sagte zu mir: "Nicole, ich bin stolz auf Dich. Ws Du in der kurzen Zeit geschafft hast ist absolut unvorstellbar, Wanda ist wie ausgewechselt, sie vertraut Dir und Du hast ein ganz besonderes Gespühr. Nun sehe ich dass wir einfach nicht zusammen passen, darum möchte ich Dir Wanda schenken, denn ich weiß, sie wird es gut bei Dir haben, weil Du mit Herz und Selee dabei bist. Ich kann ihr die Liebe nicht geben die sie braucht." Phuu, was für ein Moment, mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken runter wenn ich Euch diese Zeilen schreibe.
Allerdings musste ich das erst mit meiner Mutter besprechen und ich hatte Angst, sehr viel Angst vor diesem Gespräch, weil ich wusste dass die Antwort "Nein" lauten würde. Ich freute mich so sehr und recherhierte alles ganz genau, suchte einen Stall, unterhielt mich Tierärzten und Hufschmieden um einen überblick zu bekommen welche Kosten monatlich auf mich zukommen würden. Damals hatte ich das Glück ganz in der nähe einen selbstversorger Stall gefunden zu haben, der monatlich "nur 350 Mark" kostete. Nun konnte ich meiner Mutter ein fertiges Konzept präsentieren, welches Sie schließlich davon überzeugte dass ich mir ernsthafte Gedanken über die "Anschaffung eines Pferdes" gemacht hatte. Als alle Fakten auf den Tisch lagen tat sich für mich eine ganz neue Tür auf. Meine Mutter stellte mir erfreulicherweise mtl. 500 Mark von der Unterhaltszahlung meines Vaters zur Verfügung um so meinen Herzenswunsch zu finanzieren. Das hieß für mich aber auch alles andere auch von diesem Geld zu bezahlen. Futter, Hufschmied und Tierarzt. Kinobesuche oder andere Unternehemungen mit Freuden waren für mich plötzlich total unwichtig geworden, da mein Traum vom Pferd endlich in Erfüllung ging.
Mit 16 Jahren durfte ich mich also stolze besitzerin eines Pferdes nennen.
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern als der Schutzvertag für die 13-jährige Friesen-Freiberger-Mix Stute "Meine Wanda" mit einem obigatorischen Kaufpreis von 1,00 Mark unterzeichnet wurde, sie auf den Hänger geladen und in den alten Gut-Stall der ehemaligen Trakehnerzucht von Seckendorf in Kirchseeo-Dorf gebracht wurde. Jede freie Minute vor und nach der Schule habe ich am Stall mit Wanda verbracht. Ihre Box ausgemistet, das Futter vorbereitet und am Reitplatz mit Ihr gearbeitet. Auch wenn sie Anfangs als Reitpferd für mich nicht einfach zu handeln war, und wir auch unsere Dispute hatten, habe ich dieses Pferd abgöttisch geliebt, niemals aufgegeben und für meinen Traum vom eigenen Pferd gekämpft. Über die Jahre sind wir ein unschlagbares Team geworden und haben uns blind verstanden. Jeden Tag war ich dankbar für dieses Pferd, das mir so viele schöne momente geschenkt hat und mich gelehrt hat oft selbst zu reflektieren.
Ich glaube so ein Pferd bekommt man nur einmal im Leben, wenn überaupt.
Nachdem ich im Jahr 2002 den kleinen Aramis nach nur 6 Monaten verloren hatte und den Verlust langsam überwunden hatte wuchs in mir der Wunsch ein Fohlen aus meiner geliebten Wanda zu ziehen. So machte ich mich auf die Suche nach einem Friesenhengst der meine "dicke Zicke" decken könnte. Da das Friesenzuchtbuch natürlich geschlossen war gab es nur die Möglichkeit im Verband außerhalb des FPS/DFZ nach einem Deckhengst zu suchen und schließlich bin ich fündig geworden.
Der Friesenhengs Danilo V. stand nähe Aichach und war ein Hengs in Privathaltung, der auch Stuten außerhalb des Zuchtbuches zur Verfügung gestellt wurde. Nun wartete ich auf die nächste Rosse von Wanda und die Tierärztin nahm eine Tupferprobe die natürlich vom Hengshalter verlangt wurde. Mittels Ultraschalluntersuchung kontrolierten wir die Folikelreife so dass wir genau wussten wann Wanda zum Hengst fahren musste. Insgesamt war sie 5 Tage beim Hengst und wurde mehrmals im Natursprung gedeckt. Leider kam sie nicht tragend zurück und insgesamt versuchten wir es drei mal. Doch auch beim dritten mal blieb die Bedeckung ohne Erfolg. Somit habe ich den Plan vom eigenen Fohlen nach dem Verlust von mehreren tausend Euro über den Haufen geworfen und entschlossen meine noch verbleibende Zeit zusammen mit Wanda zu nutzen. Es sollte nicht sein und vielleicht war es gut so, dass Wanda bis zu letzt meine Nr. 1 geblieben ist. Nach so vielen Jahren habe ich verstanden dass man viele Dinge hinnehmen muss und nicht beeinflussen kann. Alles hat hat im Leben einen Grund und es war Wanda´s Wunsch meine Königin zu sein!
Wir erlebten viele tolle Dinge, sind jählich auf dem Leonhardiritt in Grafing mitgeritten wofür ich mir einen barocken Dressurfrack genäht habe, denn schon damals habe ich die edlen Roben geliebt. Reiterlich war Wanda zwar nicht gut ausgebildet und für mich als Freizeitreiterin völlig ausreichend, da wir die meißte Zeit auch gemütlich im Gelände unterwegs waren.
All die Jahre war Wanda bis auf einen Hufabszess nie Krank und mit zunehmendem Alter hat sich nach und nach Arthrose und Spat bemerkbar gemacht. Ich habe immer gehofft dass Wanda einmal friedlich einschlafen würde doch es war der Tag gekommen an dem ich vor der wohl schwersten Entscheidung meines Lebens stand. Der Moment wo man als Besitzer zwischen Leben und Tod entscheiden muss und einem bewusst wird wie vergänglich gemeinsame Zeit ist - einfach schrecklich. Doch sein Pferd täglich leiden zu sehen hat mich abwägen lassen ob es für meine geleibte Wanda so noch lebenswert ist.
Oftmals ist Wanda morgens in Ihrer Box nicht mal mehr aufgestanden, ihre Augen wurden trüb und glanzlos. Es hat mir das Herz gebrochen mein geleibtes Pferd nach so vielen Jarhen so sehen zu müssen. Doch Wanda hat mir auf Ihre Art zu verstehen gegeben dass es an der Zeit ist los zu lassen und Abschied zu nehmen. Diesen letzten schweren Schritt bin ich bis zum letzten Atemzug mit ihr gegangen, das war ich ihr nach so langer Zeit einfach schuldig.
Am 11. Juni 2008 sind wir gemeinsam ein letztes mal über die saftig grüne Koppel gegangen, hin auf den Weg zur Regenbogenbrücke. Wanda hat sich im beisein der Tierärztin im Gras neben mir niedergelegt und ist schmerzfrei im Alter von 22 Jahren für immer in meine Armen eingeschlafen.
05.05.1986 - 11.06.2008